Bamberg, Dom

Wie aus der Zeit gefallen
war dieser Abend

durch hohe Fenster
Licht in dünnen Fäden

ein Priester schattenhaft
ins Halbdunkel verbannt

„wir Wiedergänger zwischen
heiler Welt und Grauen“

sagst du und ziehst
mit leichtem Frösteln
dein luftig buntes
Tuch zurecht.

Irritation

Dein Lächeln
– dieser schräg
gehaltene Kopf,
die Augen spielen
zwischen Übermut
und fast schon
zugeneigtem Spott –
es trifft und
bringt auch dich
ins Stolpern …
wir taumeln uns
in Sicherheit und
haben uns
so schnell gefangen
dass – ohne Zweifel –
nichts mehr bleibt. 

Bayreuth, Eremitage

Mäßig abgeschieden
rahmt uns die Einsamkeit
wuchert künstlich mit Kaskaden
und im Grottenstil ruinös:
Der Hof spielt Nonne und Mönch,
gelangweilte Hundegräber
schmückt der beschämte Voltaire …
über das Wetter reden wir
und ihrer Hofdame ritzt die Gräfin
kunstlos „Ich liebe dich“
in den Marmor.

Jean Paul, Rollwenzelei

Er macht es einem nicht leicht,
sagst du und lachst mir vergnügt
von der steilen Treppe entgegen.

Der Sprachwitz blitzt aus jeder Ecke!
Sieh nur: Kometen fliegen vor dem Fenster!
Das ganze Zimmer randgefüllt mit Scherzen,
Schmerzen, Zittern und Ekstase!

„Ich bin ein Ich“ – antwortest du,
das ist nicht einfacher zu haben –
und Welten ließ er dann und wann
im Braunbier dämmern und vergehen.

„Endlich am Ziel! Endlich in Orschwiller!“

Im Spätsommer habe ich Hans Werner Hirschkäfer getroffen. Er saß – mit Strohhut, ein Glas Rotwein vor sich – auf der Terrasse einer Auberge. Keiner der anderen Gäste erkannte den Autor, der schon in jungen Jahren mit dem Roman „Das abbe Bein“ für Aufsehen gesorgt hatte, mit der tragischen Novelle „Hirschhase heißt ein Orsch“ einen Skandal provozierte und schließlich für die Satire „Mein Name sei Orschulok“ mit Preisen und Ehrungen überhäuft wurde. – „Ich habe nie gerne geschrieben“ gestand er mir. „Ich wollte immer nur einer sein, der geschrieben hat! Und jetzt – hier, am Ziel, in Orschwiller – bin ich angekommen und kann endlich der sein, der ich in der Form der Gegenwart nie sein wollte, und der ich jetzt, in der Perspektive der Vergangenheit, so gerne bin“.

„ Zuerst ist das einfach nur ein Gefühl, eine innere Wahrnehmung, vielleicht auch eine bewusste Haltung. Sie hängt damit zusammen, dass sich  mein Leben hier – in der Form des Rückblicks –  fast schon in Literatur verwandelt hat …  wenn die Kunst nur der Widerschein der Wirklichkeit ist und nicht die Wirklichkeit selbst, dann bekommt das Dargestellte eine andere Qualität, beinahe ein Eigenleben … das  entlastet von der bedrängenden, unmittelbaren  Erfahrung, die sich – auf diese Art gefiltert – wie in einer Zwischen-Wirklichkeit zeigt … das strebe ich als Lebensprinzip an und übe es täglich …“

Ich wusste, dass Hans Werner Hirschkäfer nicht gerne auf sein frühes Werk angesprochen wird. Aber wo, wenn nicht hier, in diesem elsässischen Dorf, das neben den Blessuren seiner Geschichte und den gegenwärtigen Widersprüchen einen unbezwinglichen Willen zur Selbstbehauptung und zur bewussten Illusion bewahrte – wo, wenn nicht auf der Terrasse dieser Auberge sollte man das Recht haben, darauf zu sprechen zu kommen.

„Ach ja, diese frühen Sachen … wenn man jung ist, da trennt man nicht zwischen der Art, wie man die Welt wahrnimmt und wie sie möglicherweise wirklich ist. Man nimmt das ganze innere Durcheinander für die einzige Wahrheit – und es wäre wohl etwas viel verlangt, das nicht absolut, sondern nur als Reflex zu sehen … und das „abbe Bein“ … na ja, wer will, kann bei diesem Titel ja auch an die „Strudlhofstiege“ denken … damals wollte ich wohl zeigen, was das Materielle und dass man „ein Ding“ in der Welt ist, aus uns macht … da war schon Protest und Rebellion dabei, eine Reaktion auf das Begrenzt- und Verletzbar-sein und dass man nicht mehr zählt, wenn man zerschrammt und beschädigt ist  … der Körper ist ja grundsätzlich eine unzuverlässige Angelegenheit und macht mit einem, was er gerade will, da braucht es gar keine Straßenbahn dazu  … heute sage ich – und das ist fast schon metaphysisch – man soll sich davon nicht allzu sehr beeindrucken lassen … so richtig im Leben ist man erst, wenn man das Leben respektiert und es gleichzeitig nicht allzu ernst nimmt“.