Hochsommer

Der Sommer blühte
auf dem Kleid meiner Mutter

im schattigen Garten
stand der Mittag still.

Behaglich dehnen sich Gespräche …

die Worte räkeln sich
in der Sonne –

und halte ohne Mühe
jeder Vergänglichkeit stand.

Frühe Gedichte

Im Sommer – sagst du –
spielt hier die Orgel …

an das weiche Gras denke ich
und dass die Wiese nun welkt.

Gegen den Sog des Herbstes
halte ich dich fest –

von Autos verbellt.

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Wie du so vor der
Sparkasse lümmelst

die Beine weit
auseinander gestellt

sehe ich dich plötzlich
vor südlicherem Himmel

und warte auf die laue
Sommernacht

voll von Gefahren

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Zu schläfriger Elegie reichts mir
nur noch, bloß elegisch ist mir nach
dir: unser erschrockenes Spiel
zwänge den Himmel zu Regenbogen und
Sturm? – kltaschnass wie wir zurückbleiben
blüht uns Seegras im Haar.

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Gib dich aus den Händen ach
das Schöne wächst dir über den Kopf
und mir zuweilen blühts aus
Kalenderblättern hervor. Seiner Linie
folgend verlier ich aufweinend jeden
Boden, geh lachend in der Luft wie
vormals einer übers Wasser.

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Wie die Schnecke
in Salz und Wasser

gekocht
aus dem Spiralenhaus
gezogen

aus dem Weinberg
dir zwischen die Zähne

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Korinthisch, die Säulen, sage ich und
strecke die Hand nach dir aus;
du sagst: schon möglich,
und ziehst mich einfach an dich;
das ist ein Traum, versuch ich zu lächeln
und du sagst nur, dann solle ich träumen;
aber wie wird das Aufwachen, frage ich ängstlich
und du tötest mich einfach durch einen Kuß.

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In den Zweigen über mir verursacht werbendes
Gezwitscher schrille Schmerzen; achtlos
les ich und blättre mechanisch und denk

an das Lächeln hinter der Theke
das mir im Vorbeigehn flüchtig
gefiel und mit schiefem Grinsen
nenn ich es vollkommen schön –

Unter meinem Liegestuhl
wächst das Gras und Wolken
treibt der Wind in pathetischen
Fetzen doch nüchtern vorbei.

Fragmente aus „Das abbe Bein“

Man sollte es nicht zu ernst nehmen! Wie viele Gliedmaßen auf der Welt haben schon ihren rechtmäßigen Ort verloren… aber wenn man selbst betroffen ist, dann verliert man mit dem Bein seinen Platz in der Welt… wird hinaus katapultiert aus jeder Normalität.

HaWe hatte kein Bein verloren. Seine Standhaftigkeit im Leben hatte schon immer Schwächen gehabt. Das hatte begonnen mit dieser schauderhaften Empfindlichkeit: kratzende Stoffe, quälende Geräusche, beißende Gerüche und Menschen, die einem die Lust zum Atmen nahmen … geschlagen mit Nerven, die ständig überreizt waren, verkrampften Muskeln, zusammengepresste Zähnen …

Schuld waren wohl die ständigen Angriffe in seiner Kindheit, die Überfälle mitten im Zimmer, das hastige Gepackt– und Versteckt– werden, das zitternde Kauern im Versteck, das verzweifelte Warten, bis alles vorbei und friedlich sein würde ….

Die Welt um sich herum nahm er nur mit einem inneren Stocken und Stottern wahr: Die Alte mit der Augenklappe aus der Wohnung nebenan, die Männer mit den verdreckten Arbeitshosen und der Ausdünstung nach verschüttetem Bier … die Kinder, die zum Spielen kamen, hatten dicke Backen und klebrige Finger, sie schrien mit schrillen Stimmen und hatten die blanke Bosheit im Auge, wenn sie seine Spielsachen zerstörten.

Überdruss

In den Heizungsrohren rauscht Wasser. Ihn fror. Das Bier hatte er zu kalt getrunken. In seinem Magen arbeitete es, steif hielt er den Kopf nach oben, um sich nicht zu erbrechen. Ruhig durchatmen, sagte er sich und spürte die Luft, die an der Innenseite der Nase vorbeistrich und die Nasenflügel wund werden ließ, am Gaumen auftraf und den Rachen entzündete. Bei zusammengezogenen Brauen und gespitztem Mund fühlte er die Gesichtshaut von innen.

Weil die Sätze abbrechen, sagte er sich, spitz werden und sperrig, das Hirn zerstechen wie Stachel und Draht, stecken bleiben im Hals, quer und schmerzhaft wie Nadeln.

Im luftleeren Raum schwerelos sein, nirgendwo anrühren und von keinem Ding berührt, die ganze Neurochemie zerebral und sensorisch zum Schweigen gebracht.

Das blasse Kind

sitzt in einer Bergundtalbahn und hat zu allem Überfluss sehr dünne bleichblonde Haare. Obwohl sich die Wagen erst ganz langsam bewegen, klammert es sich bereits mit beiden Händen an der Haltestange fest. Sehr still sieht es vor sich hin, das Gesicht mit der spitzen Nase und dem schmalen Mund fast unbewegt. Die Fahrt wird schneller und das blasse Kind in die äußerste Ecke des Wagens gepresst. Die hohe Geschwindigkeit lässt das Kind nur noch mühsam zu Atem kommen. Für einen Augenblick gerät es in Panik, meint, aus dem Wagen geschleudert zu werden oder zu ersticken. Es schließt die Augen und weiß, dass das nun das Leben ist und man es genießen muss. Die Fahrt ist kaum zu ende, da streckt das Kind dem Aufpasser einen weiteren Fahrcoupon entgegen – und wird übersehen.

Schlafende Hunde

Und da du fragst, wie ich nun lebe
so sei ganz unbesorgt …

ich geh nur ganz leise
halbherzig zugrunde

ach sei ohne Sorge:
vor schlafende Hunde –

und es geht mir nicht übel dabei.

Die Redegewandtheit des Träumers

Hat das Hirn erst mit der Produktion von Nebel begonnen, kommen die Schwaden von selbst. Und das hervorquellende Auge findet sich nur noch vor dem Spiegel zurecht.
Er lehnte sich in seinem Bürostuhl zurück, dachte: Der Kontakt zur Wirklichkeit stellt sich am leichtesten durch Aggression her. Man hakt sich da ein, drängt sich ins Spiel. Oder man lässt es sein und starrt ins Leere.
Sprache, sagte er sich, ist ein Mittel maßvoller Wirklichkeitsvorenthaltung. Wer es damit übertreibt, findet nur noch zu Worthülsen oder verstummt, wenn er Glück hat: wortreich.


Bamberg, Dom

Wie aus der Zeit gefallen
war dieser Abend

durch hohe Fenster
Licht in dünnen Fäden

ein Priester schattenhaft
ins Halbdunkel verbannt

„wir Wiedergänger zwischen
heiler Welt und Grauen“

sagst du und ziehst
mit leichtem Frösteln
dein luftig buntes
Tuch zurecht.

Irritation

Dein Lächeln
– dieser schräg
gehaltene Kopf,
die Augen spielen
zwischen Übermut
und fast schon
zugeneigtem Spott –
es trifft und
bringt auch dich
ins Stolpern …
wir taumeln uns
in Sicherheit und
haben uns
so schnell gefangen
dass – ohne Zweifel –
nichts mehr bleibt. 

Bayreuth, Eremitage

Mäßig abgeschieden
rahmt uns die Einsamkeit
wuchert künstlich mit Kaskaden
und im Grottenstil ruinös:
Der Hof spielt Nonne und Mönch,
gelangweilte Hundegräber
schmückt der beschämte Voltaire …
über das Wetter reden wir
und ihrer Hofdame ritzt die Gräfin
kunstlos „Ich liebe dich“
in den Marmor.